Freitag, 21. August 2015

Ausgelesen: Das kleine Übungsheft - Frieden schließen mit dem eigenen Körper

Die "Kleinen Übungshefte" aus dem Trinity Verlag haben eine hübsche Aufmachung, und man braucht vielleicht eine halbe Stunde, um sie zu lesen.

Und im Falle des o.g. Übungsheftes von Anne Marrez & Maggie Oda ist das auch wirklich das Äußerste, was man an Zeit investieren sollte. Die Broschüre sieht so klein und unschuldig aus - und ist doch ein echt fieses Terrorwerk. Eine der Autorinnen ist übrigens im Diätgeschäft...

Um es kurz zu machen: Die 62 Seiten enthalten mindestens fünfmal das Wort "Makel" und viermal das Wort "Mangel". Diese hat frau nun einmal, soll sie aber nicht so tragisch nehmen.

Das heißt, Schönheit als im Grunde objektiver und ziemlich klar definierter Wert wird hier überhaupt nicht herausgefordert. Es geht nur darum, dass man sich nicht von der eigenen Hässlichkeit (den naturgegebenen "Makeln") komplett runterziehen lässt. Wobei man am eigenen negativen Körperbild ohnehin selbst Schuld ist: "der (...) Schönheitskult (...) entsteht (...) in erster Linie in Ihrem Kopf." Na dann.

Die automatische Verbindung von Dicksein und Hässlichkeit taucht erstaunlich konsequent auf. Denn viele Frauen fühlen sich "dick und hässlich" (S. 5) und "zu hässlich, zu dick" (S. 28). Sie denken, ihr "fetter Bauch steht raus" (S.38), oder "Ich bin hässlich, ich bin fett" (S.34), und das, OBWOHL sie "in Wirklichkeit ein gesundes Gewicht" haben (S.11). Auf Seite 6 ist sie dann auch abgebildet - die dünne Frau, die ja eigentlich gar nicht hässlich ist, aber sich selbst im Spiegel als dicke, und im Gesicht zusätzlich wirklich ungünstig aufgedunsene Frau sieht.

Damit wird ziemlich schnell klar, dass sich dieses giftige Heftchen mit seinen biederen, flachen Übungen für Selbstakzeptanz offenbar in der Hauptsache an Frauen wendet, die sich "fett und hässlich" fühlen, und ganz klar nicht an solche, die fett (und damit offenbar in den Augen der Autorinnen unübertroffen hässlich) sind.

Fett ist, wie immer, auch hier das Allerallerallerschlimmste. So schlimm, dass man echtes Dicksein auch nicht so wie die anderen möglichen "Makel" mithilfe von Atemübungen und durch Lächeln (kein Witz, S. 58) wegakzeptieren kann. Stattdessen wird den Leserinnen auch hier nahegelegt, sich nicht abzukapseln und zu essen (S. 50), denn das "gefährdet Ihre Gesundheit." Statt "zu viel zu essen", sollte man lieber "Sport treiben" (S. 51).

Wenn Ratgeber zur Akzeptanz des eigenen Körpers vollgestopft sind mit Fettphobie und Abweichungen von Normschönheit tatsächlich durchgängig als "Mangel" identifizieren, wird es echt eng. Dummerweise ist dieser bekanntlich nicht der erste seiner Art, der uns hier unter die Augen kommt. Was bitte soll das sein? Eine besonders perfide, subversive Form der fortgesetzten Demoralisierung von ohnehin bereits angeschlagenen Frauengemütern?

FUCK 'EM! Ernsthaft.

NH 

5 Kommentare:

  1. Nicola, hast du schon mal darüber nachgedacht, dass es dir eventuell nicht gut tut, solche beschissenen Bücher zu lesen? Was hat man davon, wenn man sich nur ärgern muss? Du wolltest dich doch liebevoll um dich kümmern. Ich glaube inzwischen, dass solche Lektüre kontraproduktiv ist!

    AntwortenLöschen
  2. Nun ja, dass Bücher mit Titeln wie "Wohl in deiner Haut" und "Frieden schließen mit dem eigenen Körper" sich am Ende als Scheiße herausstellen, weiß man ja erst, wenn man sie liest. ; )

    Außerdem lese ich natürlich Bücher, die zu unserem Thema hier passen, auch oder sogar hauptsächlich, um im Blog darüber zu schreiben und so zu informieren. Ich finde es wichtig und übrigens auch interessant, herauszufinden, wo überall Selbsthass-Fallen lauern, insbesondere, wenn sie haufenweise da zu finden sind, wo man sie nun gerade überhaupt nicht vermuten würde. Und Sprache mit einer gewissen Akribie auseinanderzudröseln, ist nun einmal ohnehin meine Natur/Ausbildung/Arbeit.

    Es gibt ja auch viele sehr gute und erhellende Bücher, über die ich hier auch schon geschrieben habe. Die sind allerdings erfahrungsgemäß zumeist nicht auf Deutsch zu kriegen. Das wiederum liegt daran, dass Deutschland ein Entwicklungsland ist, wenn es um Fettakzeptanz geht.

    Liebe Grüße
    Nicola

    AntwortenLöschen
  3. ...ist jetzt der falsche Platz, aber wie war deine Tanznacht Nicola?
    Bin ganz ganz gespannt wie es war!
    Lieber Gruss
    Susanne

    AntwortenLöschen
  4. @Susanne

    Es war so unspektakulär, dass es nichts zu erzählen gibt. Nichtmal irgendetwas Schräges und Bizarres, das sich für einen satirischen Rückblick eignet. ; ) Alle waren ganz nett, auf der Tanzfläche war es für mich viel zu heiß und viel zu eng - da hat es mich nicht lange gehalten...

    Liebe Grüße
    Nicola

    AntwortenLöschen
  5. Was für ein perfides Buch.
    Ich bin zwar auch keine Freundin der "alle Frauen sind schön"-Rhetorik, ganz einfach weil es EGAL sein sollte, ob eine Frau schön ist oder nicht, wir sind Menschen, keine Dekorationsobjekte - aber die fett=hässlich Gleichung in einem Buch auszupacken, das eigentlich bei der Selbstakzeptanz helfen soll ... einfach nur hinterhältig.

    AntwortenLöschen

Kommentare müssen zur Veröffentlichung freigegeben werden. Das passiert nicht immer sofort. Danke für Eure Geduld.