A bigger splash (David Hockney)
If you leave the light on, I'll leave the light on. (Maggie Rogers)
Show me my silver lining. (First Aid Kit)
Als Kind im Grundschulalter hatte ich für mein erwachsenes Leben die Vision, als Hexe mit Katze in einem Häuschen im Wald zu wohnen. Fast zwei Jahrzehnte später hatte ich dann den Plan, eine große Nummer in Hollywood zu werden und in einer Villa am Hang zu wohnen – mit einem großen, blau blitzenden und schillernden Swimming-Pool.
Als meine Mutter 2009 starb, erwarb ich mit ihrem Geld eine Wohnung vor den Toren Hamburgs, um mich und meine Trauer zu parken. Für den Fall, dass ich mich nie wieder erholen würde, hatte ich alles vorher sorgfältig und hoch vernünftig geplant – in dieser Wohnung konnte Frau auf praktische Weise alt und/oder krank sein: Erdgeschoss, klein genug, um bei Hartz IV sicher zu sein, keine Miete, gleich zwei Krankenhäuser im Umkreis weniger Kilometer, zu Fuß fünf Minuten bis zu den Allgemeinärzt*innen und, ebenso naheliegend, zwei Apotheken, eine Bäckerei, ein Supermarkt, eine Optikerin – und eine S-Bahn nach Hamburg, ebenfalls in 10 bis 15 Gehminuten zu erreichen (sollte ich mit 99 Jahren nicht mehr Auto fahren können oder wollen).
Was sich jedoch schnell herausstellte, war, dass die Aussicht, in dieser Wohnung wirklich alt zu werden, eher dazu angetan war, mich tatsächlich noch verzweifelter zu machen, als ich es ohnehin schon war. Nervige WEG*-Sitzungen, untätige, unverschämte und haarsträubend inkompetente Hausverwaltungen, durchgeknallte und bösartige Nachbar*innen, die auf ihre Weise für Cringe, Creep, Lärm und Chaos sorgten und schließlich der Bau eines zutiefst geschmacklosen Mehrfamilienbunkers direkt vor meiner Nase, wo sich ursprünglich ein großer, wilder Garten befunden hatte. Abgesehen davon, dass trotz kostspieliger Anfragen meinerseits unklar bleiben wird, wie dieses Ungetüm, das ganz klar mit dem Bebauungsplan kollidiert, genehmigt werden konnte, hatten meine Eichhörnchen die Nase voll von der Versiegelung nebenan und zogen in kürzester Zeit um – auf Nimmerwiedersehen – und ließen meine Nussstation verwaist zurück.
Ich hätte es ihnen umgehend gleichtun sollen.
Hab ich damals aber nicht. Duh.
Dann stellte sich zu Beginn meiner Beziehung zu meinem Ex-Partner sehr schnell und zu meiner ausgesprochenen Freude heraus, dass wir den Haustraum, wie so Vieles, teilten. Wir besichtigten potentielle Eigenheime für eine gemeinsame Zukunft mit viel Platz, Ruhe und Natur (ich berichtete). Ich schmiedete kühne Pläne. Er tat nur so, weil er mir verheimlicht hatte, dass er und seine Ressourcen längst alle aus der Kurve geflogen waren.
Es wäre mir ehrlich nicht in den Sinn gekommen, uns ein Haus zu kaufen. Ich machte mich in den folgenden Jahren unserer Beziehung vielmehr daran, ihn in die Verfassung zu hieven, das Vorhaben mit mir gemeinsam zu verwirklichen. In meinem Drehbuch kauften wir uns ein Haus. Außerdem sollte meine Wohnung als „Stadtwohnung“ für Ausflüge in die Zivilisation und zum Zwecke des Theater- oder Museumsbesuches, zum Einkaufen und für berufliche Einsätze idealerweise erhalten bleiben. So unsere Überlegung. Aus heutiger Sicht: Facepalm. Klar.
Für das letzte Weihnachten, bevor er mich verließ, hatten wir ein Jahr zuvor den Entschluss gefasst, dass wir dieses endlich „im neuen Haus“ feiern würden, bzw. nun ernsthaft in die Umsetzung einsteigen würden. Geklappt hat es dann bekanntlich wieder nicht.
Bibbidi-bobbidi-boo!
Aber eineinhalb Jahre, nachdem der Ex mich hat sitzen lassen, ist es jetzt soweit. Ich wohne im Wald. Mit meinen Katzenmädchen. Im eigenen Hexenhaus, das allerdings gar nicht so klein ist, wie frau sich ein Hexenhaus gemeinhin vorstellen mag. Ich habe mir ein Haus gekauft.
Und so ist es nun Zeit, kurz vor den Feiertagen auch einmal aus vollstem Herzen Danke zu sagen:
Wenn du mich nicht entsorgt hättest, wäre unsere Geschichte womöglich auf eine von zwei Weisen weitergegangen:
a)
Wir säßen vielleicht zu diesen Festtagen gemeinsam in einem Haus mit Glasfaser nur eine Stunde entfernt von Hamburg am knisternden Feuer des Ofens mit Blick auf ein Gästehaus, ein Gewächshaus, einen Garten, in dem es genug Platz gäbe für ein Dutzend vintage Wohnmobile, einen Zaun und Hecken, die für jeden Hund hoch genug wären – und einen Swimming-Pool.
(Ja, ich bin endlich Besitzerin eines Pools. Eines himmelblauen Hexenpools im Wald. So verweben sich in meinem neuen Zuhause nun meine Kindheitspläne mit den Zielen meines Ichs bis Mitte Zwanzig auf ganz bemerkenswerte Weise. Hometour folgt im neuen Jahr.)
b)
Oder wir würden heute weiterhin zusammen leicht verunsichert und/oder angesäuert vor uns hin stagnieren und das Beste daraus machen. Seien wir ehrlich. Das wäre der wahrscheinliche Ausgang gewesen.
Also, mein Lieber: Danke für alles! Ich habe es verdient. :)
NH
*Flexen – angeben
*WEG – Wohnungseigentümer*innengemeinschaft