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Freitag, 23. Februar 2024

Aus dem Nähkästchen: Beziehungstipps


Der mehrstufige, aufklappbaren Nähkasten, dessen Inhalt ich fotografiert habe, war ein Weihnachtsgeschenk. Ich habe ihn auf einem Weihnachtsmarkt an einem Stand für Antiquitäten gesehen und ihn mir gewünscht. Er war voll mit Utensilien, so wie der Nähkorb meiner Mutter, den ich auch noch immer besitze - zusammen mit ihren Garnspulen, die in einem transparenten, länglichen Plastikbehälter sorgfältig farblich sortiert auf kleinen Plastikstäbchen sitzen, wie in einem Bus. 

Nähkästen sind Frauengeschichte. Sie sind Wahrzeichen für die Sorge der Hüterin des Hauses für die Menschen und Dinge, die sich darin befinden. Es wird repariert, gepflegt, verwandelt und vor allem zusammengehalten. Es entsteht Neues. Manchmal aus Altem. Die Grundlegenden Dinge des Lebens werden von ihr im Fluss gehalten. Der Nähkasten markierte den Bereich ihrer Verantwortung und ihres Wirkens, aber auch die bis heute vorhandene Einschränkung. Denn natürlich steht der Nähkasten auch für erzwungene Häuslichkeit und unterschätzte bzw. missachtete Leistung und Wirkung - und für das spezifische Wissen, das aus einer solch eingeschränkten, weiblichen Existenz erwächst.



Ich bekam also den Kasten zu Weihnachten mit Inhalt und wartete dann Monate, um ihn zu öffnen und die Alltagsschätze meiner Vorbesitzerin zu sichten. Ich wartete auf den richtigen Moment, so als würde sich mit ihm womöglich ein größeres, umfassenderes Geheimnis eröffnen. Dafür würde ich Zeit und angemessene Ruhe und Aufmerksamkeit brauchen. So bewegt ich schließlich davon war, diesen kleinen persönlichen Einblick in das Leben einer Unbekannten zu bekommen, so war das Gefühl der Verbindung bzw. die zwischen den Knöpfen und Nadeln konservierte Weisheit nicht annähernd so stark wie gehofft. Und zwei Tage später beendete mein Ex unsere Beziehung.

Das Wissen anderer Frauen

Ich quäle mich gerade durch Nicole Jägers letztes Werk "Unkaputtbar". Erstens sind toxische Beziehungen seit geraumer Zeit mein Lebensthema - länger, als mir bewusst war. Und zweitens dachte ich mir, dass, wenn die Frau Jäger aus ihren vergangenen Liebschaften einen ganzen Ratgeber machen kann, dann kann ich zumindest einen Blogpost dabei rausholen. Natürlich ist es der Frau Jäger nur gelungen, ein dickes Buch zu schreiben, weil sie, wie bei jeder ihrer Veröffentlichungen, immer und immer wieder den gleichen Inhalt wiederkäut. Aber dazu mehr in der Rezension des Buches, die, hoffentlich, irgendwann zeitnah folgt.

Nachdem ich vor ein paar Monaten nach sechseinhalb Jahren verlassen und dadurch in das tiefste und schwärzeste Loch meines Lebens geschubst worden bin (und regelmäßige Leser*innen wissen, dass ich mit mich Depression und Unzufriedenheit Zeit meines Lebens schon immer ganz gut ausgekannt habe), kann ich rückblickend von festen Verbindungen mit Männern eigentlich ohnehin nur abraten. Wie gesagt: Vier maßgebliche gescheiterte Beziehungen (von kurzen Episoden und Dates ist hier natürlich nicht die Rede) liegen hinter mir. Das ist gut eine pro Jahrzehnt meines Erwachsenenlebens und mag für manche noch überschaubar erscheinen. Für mich war es mit meiner Verlustangst und meinen Ansprüchen an einen Partner auf jeden Fall zu guter Letzt nicht mehr so richtig verkraftbar.

Meiner Erfahrung nach ist der Preis, der hinterher und im Verlauf vermutlich gezahlt wird, ohnehin immer - ja wirklich immer - viel zu hoch, für das, was am Ende bleibt - selbst dann, wenn das Ganze nicht mit einem riesigen Getöse und Geheule in die Brüche geht, sondern sich immer weiter zieht, bis es gnädig versandet. Das will natürlich nicht jede*r hören. Ich eigentlich auch nicht, aber sei es drum.

Insbesondere zu den frühen Warnzeichen der ersten Tage, Wochen und Monate in der Beziehung mit einem Mann kann ich Folgendes zur Unterhaltung beitragen:

1. Du stehst zum ersten Mal in seiner Wohnung und er erzählt dir umgeben von Müll und Gerümpel, er sei nur nach seinem Einzug noch nicht zum Aufräumen gekommen, obwohl du ja nicht blöd bist und sehr wohl weißt, dass du dich in einer Messie-Wohnung befindest. Entweder du nimmst jetzt die Füße in die Hand, oder aber gibst den Wunsch nach einer gemeinsam komfortabel bewohnbaren Wohnung am besten gleich an der Tür ab. Lügen und Gerümpel sind eine richtig schlechte Basis für eine gemeinsame Zukunft.

2. Es befindet sich kein Buch in der Wohnung. So oder so ein schlechtes Zeichen. Auf Nachfrage erfährst du, dass er die Bücher, die er angeblich schon liest, im Keller lagert, weil sie die Optik stören. Auch hier stellt sich die Frage nach den Zukunftsplänen. Natürlich muss frau die gar nicht erst haben - dann ist sie fein raus.



3. Ein weiteres frühes Warnsignal ist, wenn bereits kurz nach dem offiziellen Start der Beziehung grundlegende Hygiene zum wiederkehrenden Problem wird. Schlechter Atem, Schweißgeruch, dreckige Fingernägel, usw. gab es vor dir auch schon, und es fehlt ihm der Drive (und der Respekt), über die Honeymoon-Phase hinaus normale Pflegerituale aufrechtzuerhalten und sich regelmäßig was Sauberes anzuziehen. Darum also der Rückfall in die alte Normalität. Grundsatzgespräche über Körperpflege werden ein ständig notwendiges Ereignis sein. Wenn du das nicht willst, zieh die Reißleine lieber gleich.

4. Erst soll alles ganz schnell gehen. Wohnungsschlüssel werden sofort ausgetauscht, Heiratspläne bereits nach Wochen geschmiedet (fast wird schon der Tanzkurs belegt, damit das Paar beim Hochzeitsfest eine gute Figur macht) und nach einem gemeinsamen Haus wird ebenfalls schon aktiv gesucht. Wenn in Wirbelwindgeschwindigkeit mit allem ernst gemacht soll, stellt sich die Frage, warum überhaupt so hastig? Was soll das sein - Love-Bombing? Auf jeden Fall ist es notwendig, hier zeitnah und ebenso rasch vorher alle wichtigen Informationen einzufordern - z.B. wer soll das alles bezahlen? Oder: Wie viele Leichen liegen da im Keller?



5. Wenn sein Auto überraschend abgeholt wird, weil die Raten nicht mehr bezahlt worden sind, ist das ein Zeichen, dass er offenbar etwas verschwiegen bzw. gelogen hat. Es ist deine Entscheidung, ob du dich mit den finanziellen Problemen eines Partners herumschlagen willst, denn das wirst du, wenn du in der Beziehung bleibst, aber mach dir auf jeden Fall klar, dass du nie alles weißt. Da ist auf jeden Fall immer noch mehr Geldärger, von dem du erst erfahren wirst, wenn es sich gar nicht mehr vermeiden lässt.

6. Alkohol und Drogen sind wie Schulden und Chaos oder Agoraphobie und Putzzwang - wenn du Lust hast, jemanden zu pflegen und zu therapieren, die sicheren Rückschläge und jahrelange Enttäuschung auszuhalten, dich regelmäßig anschwindeln zu lassen und dich in der Zwischenzeit über die (ganz) kleinen Dinge zu freuen, dann bleib ruhig da.

7. Mangelnde Bereitschaft zur Übernahme von gegenseitiger Verantwortung füreinander sollten immer ein rotes Tuch sein. Wenn du fast an einer Fischvergiftung stirbst und er auch nach Stunden des Kotzens nicht aufsteht, um nach dir zu sehen, verabschiede dich besser, sobald es dir besser geht. Wenn du nach einer Routine-Operation auf der Intensivstation landest und das Krankenhaus ihn nicht erreichen kann, weil er bei fremden Nummern nicht ans Telefon geht, verabschiede dich, wenn es dir wieder besser geht. Oder tue es lieber gleich.



8. Zuverlässigkeit und Respekt gehen Hand in Hand. Wenn er mit deiner Zeit so umgeht, als wäre sie nichts wert und dich regelmäßig ohne guten Grund warten lässt, mach dir klar, dass du offenbar keine Priorität hast. 

9. Wenn in seiner Wohnung nur großformatige Bilder von ihm selbst hängen, lass es besser.

10. Wenn er sich nicht wirklich für deine Arbeit interessiert, bzw. seine immer wichtiger ist, ist das langfristig schlecht für dein Selbstwertgefühl. Das ist am Ende womöglich ein ziemlich hoher Preis.

11. Wenn die Trennung von der Partnerin vor dir erst eine kurze Zeit her ist, und er es ganz offenkundig auch noch nicht geschafft hat, sich komplett abzunabeln, wird das unweigerlich zu Problemen führen. Es gibt Fälle, da klappt das mit der Abnabelung von der Ex übrigens über Jahre hinweg nicht. Just sayin'. Schön ist das nicht.



12. Sollte es mit der Kommunikation von Anfang an holperig sein, sollte er Auseinandersetzungen und Klärung regelmäßig umgehen wollen und sich wegducken, wird es in Zukunft nicht besser werden. Auch wenn bereits in der ersten Phase der Beziehung seine Launen schwanken, es ihn augenscheinlich oft nicht interessiert, wie es dir eigentlich geht und du dir seiner Gefühle nicht wirklich sicher sein kannst, bringe dich besser in Sicherheit, denn ständige Ungewissheit kann zermürben und das Leben ziemlich unerträglich machen.

13. Wenn er Dinge, die dir gehören, in deinem Haushalt oder an deinem Auto kaputt macht, aber sich nie entschuldigt oder seine Haftpflichtversicherung ins Spiel bringt, ist auf jeden Fall Vorsicht geboten.

14. Wenn er sich fortgesetzt über dich und das, was dir wichtig ist, milde lustig macht, bzw. häufig stichelt und dich mit Humor getarnt kritisiert, renn so schnell du kannst. Du kannst es dir auf keinen Fall leisten, dich so behandeln zu lassen.







NH

Samstag, 7. Oktober 2023

"Ich bin ja nicht weg"


The art of losing isn’t hard to master;
so many things seem filled with the intent
to be lost that their loss is no disaster. 
(aus "One Art" von Elizabeth Bishop)

Die größte Angst, die mich im Augenblick hauptsächlich noch umtreibt, ist, jemanden komplett zu verlieren, so als wäre er tot, ohne dass er tot ist.

Um das mit einem vielleicht nicht ganz exakt passenden Beispiel noch zu verdeutlichen: Die absolute Horrorvorstellung als Katzenmutter von Freigängerkatzen war stets, nicht der Tod einer Katze, sondern das spurlose Verschwinden und die Ungewissheit über den Verbleib des Tieres, darüber, wie es ihm geht sowie die Frage, ob ich noch etwas tun könnte, um es zu retten, wenn ich nur das Richtige zu tun wüsste.

Wie wiederholt berichtet - ich verstehe was von Verlust. Worin ich naturgemäß nicht gut bin, ist Menschen oder Tiere zu verlieren. Wer ist das schon? Aber meine nicht unerhebliche Verlustangst traf in meiner letzten Beziehung auf sehr viel passiv-aggressive, emotionale und sogar tatsächliche Nicht-Verfügbarkeit. Das tat mir nie gut und war oft eine Quelle großer Enttäuschung, aber auch von Angst und Sorge. Wir haben nicht zusammen gewohnt, und wenn wir nicht räumlich beisammen waren, waren Kommunikation und Kontakt mitunter schleppend bis unterbunden. Ich habe mir daraufhin oft ganz praktisch Sorgen gemacht, ob etwas passiert sein könnte. Andererseits fühlte ich mich auch häufig ängstlich und unsicher, was meine Rolle und meinen Wert in der Beziehung anging.

Allerdings habe ich ein Recht auf das immerwieder fett unterstrichene Vorhaben, "Freunde zu bleiben", weiter Kontakt zu halten und gar zukünftig gemeinsam Dinge zu unternehemen, scheinbar verwirkt. Ich bin in Ungnade gefallen, weil ich angesichts dessen, was mir angetan worden war, mit Wut und Eifersucht und noch mehr Wut reagiert habe. Am Esstisch und am Telefon.

Wenn das mit der Freundschaft je ernst gemeint gewesen war (und wer weiß das schon), dann muss die Überraschung über meine normale und menschliche Reaktion ja ziemlich groß und regelrecht schockierend gewesen sein. Die offensichtliche Frage ist, wie kann das sein? Wer rechnet denn in so einem Szenario nicht mit einer solchen Reaktion? Und wie fair ist es, die blutrote Verzweiflung eines auf diese Weise betrogenen und verletzten Menschen wirklich am Ende auch noch gegen sie zu verwenden?

Lasst mich hier komplett klar sein: Keine meiner Reaktionen war überzogen oder unangemessen im Hinblick auf die Umstände, die ich nicht kreiert hatte. Das weiß ich ganz sicher. Ich bin vor den Bus geschubst worden. Dass der selbe Bus dann den Ex in seiner Gefühlswelt auch noch angefahren hat, liegt nicht in meiner Verantwortung. Es ist schlicht kindlich und egozentrisch zu glauben, Menschen auf bestimmte Weise  behandeln zu dürfen und sich dann zu beschweren, wen sie adäquat und zutiefst menschlich antworten. Und dabei womöglich fluchen. Ich weiß, wie konnte ich nur...

Ich hätte mir gewünscht, in meinem Ausnahmezustand und meinem Schmerz auch besonders in der Phase der Zuspitzung noch irgendwie gesehen zu werden. Das hätte ich anständig und angebracht gefunden. Und ich hätte obendrein sehr gern ein wie auch immer fortgeführtes freundschaftliches Verhältnis aufrechterhalten. Das tue ich noch immer. Wut und ausgestreckte Hände schließen sich nämlich überhaupt nicht aus. Ich habe schon an anderer Stelle erzählt, dass ich neben Wut und Verzweiflung trotzdem auch stets dafür gekämpft habe - ich habe Angebote gemacht, ich habe Zeichen desetzt, ich habe mich geöffnet, ich habe ihn nicht von der Unterhaltung ausgeschlossen oder ignoriert - weder vor noch nach dem ganz großen Knall. 

Und dessen Wirkung scheint, was mich betrifft, nun an manchen Tagen sogar weitgehend verpufft. So schnell kann es dann manchmal doch gehen. Die ohnmächtige Fassungslosigkeit angesichts der Eröffnung, wer meine Nachfolgerin war - geschenkt. 

Heute Nachmittag dachte ich, ich würde einfach nur gern anrufen können und fragen, ob er mal wieder Lust auf unser ehemaliges Sushi-Stammrestaurant hätte. Da war ich nun seit Monaten nicht. Aber ich könnte ihn dafür auch dann nicht anrufen, wenn ich es vorhätte. Für wichtigere, rein praktische Anliegen, die wir noch zu klären hätten, ginge das ebenfalls nicht. Ich bin nämlich geblockt worden. Und auch auf Textanfragen erhalte ich keine Antwort. Im Prinzip ist da ironischerweise mitunter gar kein Unterschied, ob wir in unserer Beziehung sind oder nicht... 

Dass wir auf diese Weise bestimmte Angelegenheiten nie komplett auseinanderfriemeln werden, die eigentlich jetzt abschließend noch anstünden, und die Entscheidungen alle an mir hängenbleiben, ist auch klar. Wer aber nun doch einen endgültigen Schlussstrich will, sollte die Abwicklung nicht pausenlos verhindern und alles mal wieder bis in alle Ewigkeit hinauszögern. Es sei denn, er will den Schlussstrich gar nicht. 


NH

Freitag, 15. September 2023

Ich bin noch da




Ich bin hier. Ich gehe nirgendwohin.

Und ich weiß, dass das keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Denn zwischendurch dachte ich, ich würde mich einfach auflösen und spurlos verschwinden.

Seit mein Ex-Partner mich sitzenließ (DLDDD berichtete), wollen viele der Menschen, mit denen ich Kontakt habe, dass ich ab jetzt was "nur für mich" tue. Und davon bitte ganz viel. Je mehr Aktionismus, desto besser. Das hat in der letzten Zeit zu etlichen frustrierenden Immobilienbesichtigungen und nebenbei noch zu vier Dates geführt. Drei der Letzteren waren natürlich mal wieder ganz genau so, dass frau sich erstens fragte, wie sie in diesen Film geraten war und zweitens, wie sie aus der Nummer einigermaßen höflich wieder rauskommen sollte. Das vierte war freundlich, aber trotzdem sinnlos.

Es fühlt sich so an, als ob die ganze Welt darauf besteht, dass es bei mir nun endlich auch mal wieder besser werden muss. Jetzt ist auch mal gut mit all dem Kummer. Ist doch schon ganze drei Monate her. Move on. Ich soll mich um mich selbst kümmern. Um mein eigenes Glück. (Wenn ich das Wort schon höre/sehe, könnte ich tatsächlich kotzen.) Denn für unser Glück sind wir ja bekanntlich selbst verantwortlich. Lohnt sich doch nicht, noch viel Energie für den Kerl zu verschwenden. Du kannst halt niemanden zwingen, bei dir zu bleiben. Vergiss den Idioten. Die bekommen schon, was sie verdienen, nämlich einander. Wir können ja mal wetten, wie lange das mit der Neuen hält. Alles ehrlich und unterstützend gemeint...Und trotzdem sitze ich da und denke, "aber ich wollte ihn ja gar nicht loswerden". Ich will und wollte nichts von alledem. Dennoch soll ich, schwupps, bitte endlich aufhören zu trauern. 

Die offizielle Frist, bis frau in den Augen der Umwelt zum Crazy Ex-Girlfriend wird, das einfach nicht in der Lage ist, gedanklich souverän und erwachsen loszulassen, habe ich vermutlich längst überschritten.

Ich finde es dennoch wichtig, gerade hier darüber zu reden, dass es nicht notwendigerweise hilft, pausenlos ins Motivationshorn zu tröten, sobald jemand im Leben hingeknallt ist und sich die Knie offenbar bis zum Knochen aufgeschlagen hat. Krone richten, aufstehen, weiter...eigentlich ist das doch nur grausam. Was ist das eigentlich für ein Druck? Und eine Missachtung der inneren Realität eines verletzten Menschen?

Hinzu kommt, dass es mir nicht vorher gut ging und jetzt eben nicht mehr. Ich habe kein "Normal", in das ich einfach allein wieder zurückkehren kann. Verlassen wurde ich an einem persönlichen Tiefpunkt. Verlassen wurde ich auch nicht trotz  sondern wegen meiner schlechten Verfassung - weil mir eh nicht mehr zu helfen war. Weil ich ein freudloses Monster bin. Es war mit mir im Hause zu schrecklich, zu erschöpft, zu ausgelaugt, zu ungemütlich, zu pessimistisch, zu anstrengend. Ziemlich kraftzehrende Jahre liegen hinter mir. Die Beziehung war das Projekt im Zentrum, alles drumherum wurde vernachlässigt und kann eben nicht einfach voller Schwung wieder aufgenommen werden. So einfach soll das jetzt aber bitte sein. So einfach wird es aber nicht sein. 

Und kann mir jemand nebenbei das hier erklären: Aus irgendwelchen Gründen wollen alle, dass ich umziehe. Meine kurzatmige Idee direkt nach dem Beziehungsaus war, das lang geplante ländlich-idyllische Zuhause, für das der Partner am Ende nicht mehr zur Verfügung stand, allein zu erwerben. Verdächtig einstimmig, von der Therapeutin bis zum Ex, waren alle möglichen Menschen erstaunlich angetan und beklatschten den hektischen und wenig durchdachten Plan, mich sofort auf die Suche nach einem Häuschen in der tiefen Provinz zu machen und mich damit selbst ins Crazy-Cat-Lady-Exil zu schicken - weil ich dann angeblich endlich wieder nach vorne gucken und mir die Veränderung einer gigantischen und logistisch sowie finanziell komplett überwältigenden Entwurzelungsaktion bestimmt gut tun würde. Keine*r sagte: "Lass das nach. Ist jetzt viel zu früh und zu stressig."

Wie oben erwähnt: Bis ich erfuhr, wer unser echter Trennungsgrund war und unsere Verbindung danach von ihm gekappt wurde, riet mir sogar mein Ex-Partner mit herzhafter Überzeugung zum Hauskauf als Mittel der psychologischen Stabilisierung, denn da durfte ich ihn mit all meiner Verwüstung und Verzweiflung noch gelegentlich als Notfallohr anrufen, falls die Telefonseesorge mal wieder besetzt war.

Du weißt, du bist am Arsch, wenn dein Ex und deine Therapeutin dir die gleichen Ratschläge erteilen.

Klar, ich fessle mich am besten auf einen Schlitten, lass mir noch einen wohlmeinenden Tritt verpassen, und wenn ich dann so den vereisten Berg runtersause, kann ich mir einreden, dass ich mich nun selbstbestimmt und mit vollem Empowerment auf den Weg in eine wunderbare Zukunft gemacht habe. Als Bonus falle ich dann auch nicht mehr allen auf die Nerven. 

Außerdem ist doch allgemein bekannt, dass alles für etwas gut ist, und am Ende kann ich noch dankbar sein, dass es so gekommen ist. Denn wer scheitert, lernt ja für die Zukunft. Und wenn der Umzug nicht hilft, dann geh ich halt mehr unter Leute, setze mich in den Park in die Sonne und erfreue mich, wie vorgeschrieben, an den kleinen Dingen. Das Allerallerwichtigste ist stets, dass frau ins Handeln kommt! Also auf die Plätze, fertig, los!

Trotz aller Bemühungen wieder gescheitert. Frau versucht immer, das Richtige zu tun. Aber ich krieg es einfach nicht hin. Und ich weiß, auch damit bin ich nicht allein.

Ich wiederhole es immer wieder gern: Schöner scheitern my ass.

Ich sehe die Türen entweder nicht, die sich im Fall des Endes von etwas angeblich überall öffnen. Oder, und das halte ich für wahrscheinlicher, sie sind nicht wirklich da. Ich habe außerdem keinen Bedarf mehr, an Unglück zu wachsen. Ich bin groß genug. 

Im Grunde bin ich, ich erzählte es mindestens schon einmal an anderer Stelle, mit allem Wichtigen gescheitert, was ich so vorhatte. Und ich bin über 50. Ich werde das Gefühl nicht los, dass da auch nicht mehr viel kommt. Natürlich kann ich gleichzeitig den gutgemeinten Aufschrei schon hören, dass da selbstverständlich noch eine ganze große Welt wartet. Aber es ist eine freundliche Lüge, dass es nie zu spät ist. Ich hab keine Ahnung, wie viel Arbeit, Energie und Disziplin in aufbringen müsste, um irgendeinen meiner eigenen Ansprüche noch einzuholen, aber ich weiß ziemlich genau, dass ich sie momentan auf keinen Fall hätte. Im Augenblick kann ich dank MS und anderer medizinischer Probleme nicht einmal anständig geradeaus laufen. Durchschlafen wäre was. Hm...fat chance.*

Ich bin auch beruflich häufig gescheitert. Drei Verlage haben je ein Buch von mir verlegt, und es hinterher bitter bereut, weil sie alle gefloppt sind. Alles, was ich je mit Freude hergestellt habe, war etwas, was dann niemand wollte - mitunter nicht einmal geschenkt. Bücher, Blogposts, Schmuck, Kunst - alles so gut wie unverkäuflich. 

Dass ich übrigens auch keinen Oscar für das beste Drehbuch gewonnen habe (quasi das Ur-Ziel, mit dem ich das Studium in Los Angeles begann) ist da wohl keine weitere Erwähnung mehr wert. Ja, die Fallhöhe ist so hoch, wie die Erwartungen. Also arbeite ich seit Jahrzehnten in einem Job, den ich gut kann, der aber nicht Teil des Originalplanes war. Und der im Augenblick nicht genug Geld reinbringt, um andere Ziele von der Bucketlist zu streichen, z.B. gelegentlichen Urlaub in irgendeinem interessanten Land zu machen UND die restlichen Rechnungen zu bezahlen.

Jede Beziehung, die ich gern behalten hätte, ging mir verloren. Und der dazugedachte Film vom Garten mit dem Zaun um das beschützende Haus und dem Bewusstsein, einen Platz zu haben, an den ich ganz sicher gehöre - nichts davon habe ich erreicht (nicht einmal für einen kurzen Moment). 

Was ich aus meiner Geschichte gelernt habe, ist, dass meistens irgendetwas fürchterlich schief läuft.

Dafür habe ich offenkundig eine endlose Auswahl an Belegen parat. Ich habe es beispielsweise auch nicht geschafft, meine Mutter über die berühmten fünf Jahre Überlebenszeit zu hieven (was mein erklärtes Ziel war nach ihrer Krebsdiagnose), obwohl ich mich dafür komplett verantwortlich gefühlt und hart daran gearbeitet habe. Sie aber hat die zweite Chemo dann nicht vertragen. Ich verstehe viel von Verlust. Ich gewöhne mich trotzdem nicht daran. Ich weiß, das ist ebenfalls keine besonders exklusive menschliche Erfahrung. Darum teile ich sie hier, damit andere, denen es hilft, das zu wissen, es eben wissen.

Aber auch was mein Engagement auf dem Blog angeht, bin ich wohl eher gescheitert. Fettakzeptanz in Kombination mit radikalem Feminismus ist noch immer eine Nische auf halbwegs verlorenem Posten. Dicke Models auf dem Cover der VOGUE hin oder her. Inzwischen ist der Terror der Normschönheit auf Instagram verantwortlich für eine Zunahme von Suiziden unter jungen Frauen. Frau kommt so unendlich langsam voran. Outlets wie Printmedien und Fernsehen entscheiden sich längst wieder (eigentlich schon immer) für andere, mildere Quellen, wenn sie mit lächerlicher und harmloser Body Positivity Alibibeiträge produzieren wollen. Reichweite ist das Stichwort. Und nach dem Ende der Diäten auf dem Blog schmolz die langsam weg.

Gibt es eigentlich so etwas, wie schöner aufgeben? Ich kann ja immer noch Rebecca Niazi-Shahabis Bücher zum Thema empfehlen. Sie schlägt vor, alle großen und kleinen Ziele auf eine Liste zu schreiben und diese dann kurzerhand wegzuwerfen. Das sei der wahre Schlüssel zu einem akzeptablen Leben.

Vielleicht hätten wir das als Paar tun sollen. Nicht die Beziehung aufgeben. Sondern die To-Do-Liste. Am besten wäre das vermutlich gleich am Anfang passiert.

Ich sitze hier und überlege jetzt schon, wie es dieses Jahr mit Weihnachten wohl werden wird. Gehe ich dann allein am 23. Dezember zum traditionellen Einkaufsbummel in die Stadt und begucke die Hektik der anderen Einkaufenden, während ich weiß, dass bei mir längst alle Vorbereitungen abgeschlossen sind? Wie wird es sich anfühlen, wie früher, in den ersten Jahren nach dem Tod meiner Mutter, über die Feiertage mit niemandem mehr zu reden? Und dann sind da die Theaterkarten, die wir nach unserer Trennung noch zusammen gebucht haben, um uns im Herbst vielleicht doch noch einmal "neu kennenzulernen". Was für ein großes Kino das war...

Mittlerweile habe ich außerdem das Gefühl, ein Strategiewechsel ist zur Verarbeitung überfällig. Ich sollte mir ein paar Stunden auf einer Shooting Range genehmigen, denn das habe ich seit Jahren vor. Oder mit Squash anfangen. Noch so ein nie abgearbeiteter Punkt auf der Liste. Wenn mir die Entzündung in der Hüfte nur nicht so wehtäte. Vielleicht miete ich mir aber endlich mal den Porsche, den ich immer fahren wollte und verbringe etwas Zeit auf der Autobahn, bevor wir doch noch eine Geschwindigkeitsbegrenzung kriegen.**

NH


*Keine Chance.

**Ja, das wäre ohnehin ein Wunder, wenn wir uns in diesem Land endlich dazu durchrängen. Da muss frau sich wenigstens keine Sorgen machen, dass sie mit ihren Träumen vom Rasen zu spät dran ist.